Schon letztes Jahr wollten Lukas und ich bei einem Trailrunning Wettbewerb mitmachen. Wir waren sogar beim Zugspitz Ultra Trail für den Supertrail XL angemeldet. Leider haben uns andere sportliche Verpflichtungen von der Teilnahme abgehalten – die Relegation ging schlicht vor! Dieses Jahr haben wirs wieder probiert und diesmal hats geklappt. Die Wahl fiel auf den Montafon Totale Trail. Ein Freund hat uns vom ersten Totale Trail 2016 nur gutes berichtet und die 55 € Startgebühr liegen auch deutlich unter der des ZUT. Bei der Anmeldung und auch im Verlauf des Events kann man der Silvretta Montafon GmbH schon mal Vorschusslorbeeren geben – ein wirklich rundum gut organisiertes Event! Aber jetzt steigen wir mal richtig ein:
Am Freitag Nachmittag rollt der Trailtransport bei mir in die Einfahrt. Ein großer Dank geht hier an unseren Heimatverein – TSV Teisendorf – der uns den Mannschaftsbus zur Verfügung gestellt hat. Die hinteren Sitzbänke raus, zwei Matratzen rein und fertig ist das Schlafmobil. Die Koffer waren natürlich schon gepackt. Bewaffnet mit
- allem was mein Sportbekleidung-Schrank so hergibt
- Studentenfutter
- Wasser
- Leodecke
- Kissen
- und einer Mischung aus Motivation, Vorfreude und Angst
geht’s um 14 Uhr ins 300 km entfernte Schruns bei Tschagguns ins vorarlberger Montafongebirge.
Die Fahrt gestaltet sich recht easy, lediglich der Vorarlbergtunnel ist gesperrt und so geht’s über den Paß. Landschaftlich gewaltig, verkehrstechnisch katastrophal. Der Ausflug kostet uns trotzdem nur gut 30 Minuten, kein Beinbruch also.
Nach einer kurzen Orientierungsphase im beschaulichen Schruns finden wir raltiv schnell einen „geeigneten“ Parkplatz. Geplant war natürlich nichts, wo wäre denn da das Abenteuer 😉 Um kurz vor 18 Uhr schaffen wirs in Haus des Gastes. Dort gibt’s die Startersackerl – wie gesagt alles gut organisiert und höflich obendrein. Das Startersackerl ist übersichtlich gehalten:
- Startnummer mit Chip
- Montafon Totale Trail – Shirt
- Pasta-Party Gutschein
- Versettla-Tahlfahrt Gutschein
- Duschgel und ein paar Infoblätter
Mit dem Pasta-Party Gutschein im Gepäck starten wir gleich zum Kirchplatz von Schruns. Dort gibt’s ein umfangreiches Rahmenprogramm. Ein Staffellauf um die schöne Kirche von Schruns, eine Bühne mit Liveband und natürlich – Nudeln! Die sehen zwar … naja – bemüht aus, schmecken aber wider Erwarten doch ganz passabel.
Wir schauen noch beim Staffellauf vorbei und vertreten uns die Beine noch ein bisschen im Ort. Dann geht’s aber auch schon wieder zurück zum Bus, wir wollen ja schließlich fit sein für den großen Tag.
Um halb 7 klingelt der Wecker, kurz frisch gemacht und nochmal die Ausrüstung gecheckt. Mit auf die große Reise gehen:
- Meine Schühchen La Sportiva Bushido
- Salomon S-Lab Calfes
- Salomon S-Lab Twinskin Short
- Nike T-Shirt
- Leki Stöcke
- Fenix 2 plus HR-Gurt
- Dynafit Enduro 12
- Hilfe Set
- Longsleeve
- Tube
- Yi 4k Actioncam
- Smartphone
- 2 Seitenbacher Riegel
- Capri-Sonne Trinkbecher
Los gehts zum Ursprungsort des drohenden „Unheils“ 🙂
Um 7:45 gibts dann nochmal Input vom Rennleiter und Streckendesigner Daniel Fritz: Stvo beachten, nicht abkürzen, keine Kühe umschubsen – das Übliche.
Und ganz wichtig: Das Rennen startet mit dem 1. Acht Uhr Glockenschlag der Kirche, cool 🙂
Wenige Minuten später ist es so weit und es geht los! Vor uns liegen hier noch 47 Kilometer und 4200 Höhenmeter. Hier das Streckenprofil für die, dies genau wissen wollen.
Die ersten Meter sind noch zum Einlaufen, das Feld will sich hier noch nicht sonderlich strecken und so geht’s relativ gedrungen, zumindest anfänglich, den Anstieg Richtung Hochjoch rauf. Wie bei jeder Laufveranstaltung üblich ist jeder motiviert, ausgeruht und läuft tendenziell über seinen Verhältnissen. So hat es sich auch hier angefühlt. Mit sehr knackigem Tempo geht’s zur ersten Labestation Lifinar hoch.
Nach einer sehr kurzen Stärkung steigen wir sofort weiter steil hinauf, das Feld lichtet sich mittlerweile etwas. Unterhalb vom Hochjoch, bei der zweiten Labestation auf Kapell eröffnet mir dann ein Blick auf meine Uhr, wie anstrengend dieser Uphill bis jetzt war. 1500 verbrauchte kcal nach etwas über 1:40 h, crazy. Ich sorge schonmal vor und bediene mich bei Bananen, Nüssen, Salzstangen und reichlich Isogetränken. Weiter geht’s. Im Winter schwingen hier abertausende Skifahrer vom Berg hinunter, heute laufen hier gut 200 Starter zu Fuß rauf.
Mit zunehmender Höhe werden die Trails zunehmend schwieriger und hier und da muss man zur Sicherheit auch mal mit den Händen nachhelfen. Trotzdem bin ich positiv überrascht wie breit und laufbar die Trails hier jenseits der 2000 Meter sind. Nach 2h23m sind wir dann am ersten Gipfel, dem Hochjoch! Aber das ist schließlich ein Wettkampf und so winken wir dem Kreuz nur im Vorbeilaufen zu und schon geht’s bei gewaltigem Panorama einmal um den Berg hinunter zum Grasjoch. Auf dieser Strecke irgendwo jenseits von 2000 Metern ist einfach nur alles gewaltig. Genau für diese Momente betreibt man diesen Sport. Es gibt wenig Gefühle die an das hier herankommen. Hier ein paar Eindrücke:
An der Labestation des Grasjoch füllen wir unsere Speicher nochmal für die kommende Challenge auf. Gut 1000 Höhenmeter, wie wir feststellen werden, steilstes Downhill liegen vor uns. Im Nachhinein vielleicht ein Knackpunkt, da das natürlich die Knie immens belastet und mein kürzlich operiertes Knie das nicht so lustig fand. Aber wer hoch hinaus will muss auch wieder runterlaufen. Aber zuerst mal geht’s noch einmal um das halbe Nachbargebirge herum, erst dann beginnt der Abstieg ins Valisera Tal.
Gut eine Stunde vergehen, bis wir unten ankommen.# Nach diesen Strapazen für Muskeln, Gelenke und vor allem den Kopf (Lukas musste einmal Notlanden – ging zum Glück glimpflich aus, ich bin ohne Sturz runtergekommen) wartet im Tal eine fett ausgestattete Labestation, yeah! Und: Es ist noch Suppe da! 😀 Es gibt wie üblich alles Kreuz und quer: Schokolade, Orange, Banane, Salzstangen und Suppenbrühe.
Trotz der aufgenommenen Kalorien hat das Gebirge schon deutliche Spuren hinterlassen. Der erneute Aufsteig nach Garfrescha fällt schon nichtmehr sonderlich dynamisch aus. Manchen mag das nicht wundern, schließlich liegen schon 26 km und 2000 hm hinter uns, ich bin im Angesicht der noch vor uns liegenden Strecke sagen wir mal ernüchtert. Trotzdem gehen wir unser Tempo noch das erste Stück. Irgendwann auf einem etwas flacheren Streckenabschnitt fällt dann zumindest meine Entscheidung. Die Kniescheibe macht irgendwie grade nicht das was sie soll. Lukas ist da schon 30 Meter voraus, den könnte ich sowieso schon nicht mehr halten.
Nach einer kurzen Andachtspause im Schatten hab ich meine 7 Sachen zumindest soweit zusammen, dass es anschließend wieder weitergehen kann. Um kurz nach 1 Uhr erreiche ich die Labestation Garfrescha – bis hierher warens nochmal circa 800 Höhenmeter von der Talstation. Hier kann man höchstoffiziell vom Ultra (47 km) auf den Trail (32 km) umsteigen. Nach einer kurzen Beratschlagung entscheidet sich auch Lukas mit mir auf die 32 km zu gehen. Und wir waren längst nicht die Einzigen… In Garfrescha stehen gut 30 Kilometer auf der Uhr, noch einmal 17 Kilometer und über 1000 Höhenmeter wären – für mich unverantwortlich mir selbst gegenüber – und ohnehin an diesem Tag wahrscheinlich nicht machbar gewesen. Wir geben als den Organisatoren Bescheid, dass wir wechseln und starten von Garfrescha direkt zur Nova Stoba. Eine der größten bewirtschafteten Almen in den Alpen. „Nur 3,5 Kilometer, do isch ma glei drübe“ hallen die Worte eines Mitglieds der Verpflegungsstation immer wieder in meinem Kopf umher. So weit kanns dann ja nicht mehr sein. Aber der Weg wollte nicht enden. Jeder Meter nach oben ist ein Kraftakt, ein hadern mit mir selbst. Relativ bald „sprintet“ Lukas wie von der Tarantel gestochen auf und davon, mir bleibt nur den Staub zu fressen ^^
Aber ich bleib nicht allein. Als ich den Kollegen hinter mir vorbeiziehen lassen will, will der gar nicht. Lieber motiviert er mich auf den „letzten“ Metern und wir kommen ins Gespräch. Uwe, mehrere 100er und ein paar Trans-Alpine schwer, unterhalten uns auf dem Schlussstück ganz gut und so gerät auch die Erschöpfung etwas ins Hintertreffen, super!
Noch gut 1 Kilometer sind es und hier wird’s nochmal richtig schön zu laufen. Mein Laufstil gleicht hier zwar eher einem Rentner auf Ecstasy, aber das sieht hier ja zum Glück niemand 😉
Das Ende ist Nah, in mehrerlei Hinsicht… Ich würde jetzt gerne schreiben, dass der Zieleinlauf auf der Nova Stoba magisch, einprägsam oder ultimativ war. Das wäre aber nicht die Wahrheit. Ich war einfach nur verdammt nochmal froh jetzt am Ziel zu sein! Der Körper total entkräftet, der Geist leer aber der Erfahrungsschatz – der ist immens gestiegen. Und ganz so emotionslos war es 10 Minuten später auch nicht mehr. Nach dem obligatorischen alkoholfreien Weißbier, Schoki und wieder bei Atem macht sich ein Gefühl der Genugtuung breit wie selten. Der Ausblick auf die Nova Stoba einschließenden Berge tut sein Übriges!
Lukas kommt nach 6h14m ins Ziel, ich brauche 6h28. Beide haben um die 34 Kilometer und 3100 Höhenmeter hinter uns. Wir lassens uns noch bei einem Wilderer Burger gut gehen und fahren dann zügig wieder mit der Versettla Bahn ins Tal und anschließend auch gleich nach Hause.
Fazit: Ein Top organisiertes Event, eine überwältigende Strecke und ein richtig fettes Erlebnis!
Heinz Hofstetter 19. Juni 2017
Servus Timo,
ein absolut TOP geschriebener Event-Bericht. Du solltest Schreiberling werden.
Werde deine Infos für einen kleinen Pressebericht mit Foto verarbeiten.