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Hirschwieskopf – Wie aus dem Bilderbuch

Samstagabend – Das Fußballspiel gegen den TSV Reischach ging leider 3:4 verloren, was uns aber nicht davon abgehalten hat unsere Saisonabschlussfeier zu zelebrieren. Auf dem Speiseplan standen 2 Grillfleisch, 1 „Kaaskraina“ und eine nicht geringe Menge Nudelsalat – und Bier. Nicht unbedingt die optimale Ernährung für den Trail, der am folgenden Tag anstehen sollte 🙂 Aus zuverlässiger Quelle hatte ich Gewissheit, dass am Ende der Tour eine Aussicht grüßen lässt, die man nicht so oft zu Gesicht bekommt. Der Rest der Strecke war hinreichend bekannt. Parken an der Wimbachbrücke und einfach rein ins Wimbachgries. Alles easy.

Um kurz nach 8 Uhr biege ich auf den Parkplatz an der Wimbachbrücke ein, löse ein Parkticket (7 fucking Euro) und mache mich fertig. Ich folge der Beschilderung in Richtung Wimbachschloss / Wimbachgrieshütte. Bis zur Grieshütte sind 4 Stunden angeschrieben, hehe. Anfangs noch über Asphalt gehts vorbei an der Ticketstation für die Wimbachklamm. Hier könnte man ein Ticket lösen und den Weg ein wenig verkürzen. Mach ich aber nicht und entkomme so der Touristenfalle par excellence. Das bedeutet zwar ein paar Höhenmeter mehr, aber die machen das Kraut auch nicht mehr fett. Bis zum Wimbachschloss lässt sich der Weg noch am ehesten als Touristenautobahn beschreiben. Mit gleichbleibender leichter Steigung geht’s ganz gemütlich immer tiefer hinein in Deutschlands einzigen Nationalpark in den Alpen. Wirklich gut um auf Touren zu kommen und mal in seinen Körper hineinzuhorchen und die Tagesverfassung zu checken. Meine Tagesform ist mehr so Rentner im Stadtpark bei der Entenfütterung als Trailrunning-Monster. Das Spiel steckt mir doch noch gut in den Knochen, aber die (bevorstehende) Aussicht treibt mich Schritt für Schritt vorwärts.

Stellenweise verläuft der Wimbach direkt neben dem Weg, was schon eine wirklich gute Laufkulisse abgibt. Nach 32 Minuten passiere ich das Wimbachschloss. Kurz danach würde ein Weg rechts unter anderem zur Schärtenspitze führen. Hab ich letztes Jahr mal gemacht und ist sehr empfehlenswert! Heute geht’s aber geradeaus und je weiter ich ins Wimbachgries laufe, desto unwirtlicher scheint die Umgebung. Das Ausmaß dieses Tals verschiebt zuweilen die Bedeutung von Worten wie groß, klein, fern und nah. Die riesigen Steinwüsten sind schon sehr eindrucksvoll.

Nach 1h 10min bin ich an der Wimbachgrieshütte. Die Betreiber sind noch mit dem Frühstück beschäftigt, was auch mich zu einem kleinen Snack animiert. Denn schon bald sollte ich die Kohlenhydrate brauchen. Mir steht der Aufstieg zum Hirschwieskopf nun unmittelbar bevor.
Frisch gestärkt geht’s nun weiter. Aufgrund einer kurzen Abstinenz meines Orientierungssinns aber verlaufe ich mich erstmal… Das kostet mich etwa 2 Kilometer, entschädigt mich aber gleichzeitig mit einer kleinen Blumenwiese und diesen Fotos:

Wer den Umweg nicht in Kauf nehmen will der sollte nach diesem Schild Ausschau halten. Es befindet sich kurz nach der Wimbachgrieshütte bei einer Überquerung des Grieses.

Ich hab mich hier irritieren lassen, da der Hirschwieskopf nicht angeschrieben ist. Also -> hier einbiegen.
Denn was dann kommt ist für mich neben dem Gipfel eines der größten Highlights dieser Tour. Der Trail verwandelt sich in eine schmale Schneise in einem dicht bewachsenen Wald aus Latschenkiefern und – ich nenn es mal „mit schön anzusehenden Blümchen durchsetztes Gestrüpp“.

Richtig kurvenreich und einfach nur super laufbar bewege ich mich äußert geschmeidig ( 😉 ) und mit breitem Lächeln durch diese unfassbar geniale Umgebung. Nach für meinen Geschmack einer viel zu kurzen Zeit ändert sich die Tapete erneut. Aus einem dicht bewaldeten, fast urwaldartigen Terrain wird plötzlich eine karge Steinwüste, die schon beinahe dystopische Züge annimmt. Die abgestorbenen Überreste von Bäumen erzeugen in Zusammenspiel mit dem leblosen Untergrund und der absoluten Stille ein befremdendes Gefühl – einfach Spitze!

one happy guy

Mit Worten lässt sich der Ort wirklich schlecht beschreiben. Das mag jetzt plump klingen, ist aber so. Der Nationalpark Berchtesgaden ist der einzige seiner Art in Deutschland, wäre ja schlimm wenn er nicht auch Einzigartiges zu bieten hätte! Auf der Uhr stehen, abzüglich meines ungeplanten Ausflugs nach Candyland, ungefähr 10 Kilometer. Bis hierher war es weder alpin noch wirklich steil.

Im Anschluss an diese wirklich faszinierende Passage steilt sich der Weg schnell auf. Es gibt wieder etwas mehr Platz links und rechts und die Felsen werden etwas größer, alles in allem aber noch keine Tragik. Mit zunehmenden Höhenmetern gibt die umliegende Bewaldung immer mehr Aussicht in das Wimbachgries frei und bei solchen Trails kann ich mich abermals nicht wirklich beklagen.

Im Hintergrund die Rotleitenschneid

Etwa 2h 20min stehen auf der Uhr als ich das Plateau Trischübel erreiche. Ich mache einen kurzen Abstecher zu Jenem, die 2 minuten sollten drin sein. Und ich habe keine Ahnung was das ist. Da steht eine Wetterstation oder sowas in der Art und das wars. Trotzdem komme ich gerade richtig um ein Foto für eine Gruppe Wanderer zu machen, also hat sichs irgendwo rentiert.

Kurz nach dem Trischübel erreiche ich dann ein ziemlich feines Plätzchen, um seine Almhütte zu platzieren.

Das letzte Bild lässt es dann schon vermuten. Ab dem Trischübel muss ich die letzten 350 Höhenmeter etwas alpiner überwinden. Nur ganz selten mal muss ich die Stöcke wegnehmen, aber die großen Stufen und das steile Gelände ballern nochmal ordentlich auf die ohnehin müden Oberschenkel. Nach etwas unter 3 Stunden erreiche ich dann schlussendlich den Hirschwieskopf! Und damn, lohnt sich das oder was??

Wirklich genial ist auch der Blick runter nach Sankt Bartholomä und wie die eigentlich gar nicht so kleinen Schiffe wie winzige Pistazienschalen über das türkisgrüne Nass tuckern.

Ich verweile gut 30 Minuten auf dem Gipfel – Manchem mag das jetzt kurz erscheinen, für meine Verhältnisse ist das aber schon eher eine halbe Ewigkeit und das wiederum spricht definitiv für die fantastische Aussicht, die dieser Gipfel bietet. Im Schatten des König Watzmann erreicht der Hirschwieskopf definitiv nicht die Popularität die ihm zustünde. Aber auch der lange Zu- und Aufstieg von fast 13 Kilometern lassen ihn wohl für so manchen Wanderer eine Herausforderung werden.

Wer ihn dennoch in Angriff nimmt wird aber wirklich mit einer sensationellen Aussicht belohnt, die in jede Himmelsrichtung ein anderes Licht auf die bekannten Größen wirft. Sei es die imposante Ostwand des Watzmanns, die man von hier aus ungewohntem Winkel sieht, der Blick hinab ins Wimbachgries oder das Steinerne Meer in der Ferne. An wohl kaum einem anderen Ort kann man die Verbindung zu all diesen Orten gleichermaßen stark spüren. Ich bin mittendrin und doch ganz weit weg. Mit nur 2 weiteren Wanderern teile ich den Gipfel.
Zurück gehts einfach den gleichen Weg wie hinauf. Ich merke schnell, dass nun etwas mehr los ist auf der „Straße“. Spätestens ab dem Wimbachschloss wirds dann mehr zum Hürdenlauf. Egal, mit mächtigen Fotos und sehr bildgewaltigen Eindrücken im Kopf erreiche ich nach 4h 24 min wieder den Parkplatz!

Fazit: Ein absolutes Muss für jeden Trailrunner der sich mal im Berchtesgadener Land tummelt. Die Tour ist nicht zu unterschätzen, kann dafür aber auch super als Training verwendet werden. Davon abgesehen kann ich die Tour natürlich prinzipiell jedem empfehlen, der sich eine Tour mit dieser Länge zutraut. Mit den 2 Jausenstationen Wimbachschloss und Wimbachgrieshütte, die auch noch strategisch wertvoll platziert wurden, ist der Hirschwieskopf für fast jeden erreichbar 🙂

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