W A T Z M A N N
Meine erste nähere Beziehung mit dem Watzmann ging ich 2013 eher unwissentlich ein. Ich heuerte bei meinem bis heute aktuellen Arbeitgeber, der Bergader Privatkäserei GmbH. Zwei Jahre später ging ich dann das erste Mal auf Tuchfühlung. Blauäugig, unerfahren und mit richtig dicken Bergstiefeln zogen wir die Watzmannüberschreitung auch da schon in einem Tag durch. Damals wie heute stand bei dem Vorhaben Lukas zur Seite. Wir brauchten ganze 4 Jahre, um die Königstour in den Berchtesgadener Alpen zu wiederholen.
Auf zum Watzmann-Haus
Es soll ein schöner, spätsommerlicher Sonntag werden. Die Wetterlage ist stabil, die Stimmung gut und Lukas und ich starten um kurz vor 7 Uhr vom bereits gut gefüllten Parkplatz an der Wimbachbrücke. Der Aufstieg beginnt zu unserem Unmut eher eintönig. 30 Minuten sind vergangen, als wir die Stubenalm erreichen. Der Tag enttäuscht uns bisher nicht, denn die Atmosphäre ist wirklich malerisch.
Erste Anzeichen eines hoffentlich bevorstehenden goldenen Herbsts zeigen sich im Nebelmeer in den Niederungen. Wir verweilen kurz und nehmen einen Schluck aus der „Pulle“. Zügig gehts weiter durch den Wald, immer noch mit einem planierten Schotterweg unter den Füßen. Nach gut 50 Minuten passieren wir die Mitterkaseralm und endlich, endlich kommen wir in die Nähe dessen, was sich als Trail bezeichnen lässt. Nur wenige Augenblicke vergehen, bis wir die Waldgrenze durchbrechen und uns der Blick auf die Watzmannfrau und die Kinder freigegeben wird. Eine Stunde und 20 Minuten haben wir auf der Uhr stehen, als wir am Watzmannhaus ankommen. Wir lassen unsere Wasservorräte auffüllen und nach einer kurzen Verschnaufpause wird es nun felsiger.
Das Hocheck
Der Aufstieg zum Hocheck ist in der Erinnerung noch frisch. Nur wenige Wochen zuvor hatten wir schonmal auf dem Watzmannhaus genächtigt und uns zuvor die zahlreichen Hopfenschorlen mit der Besteigung des Hocheck verdient. Der Weg führt uns nun ausschließlich über blanken Stein gen Himmel.
Hohe technische Anforderungen oder besondere Schwindelfreiheit sind hier noch nicht nötig. Ein offenes Auge für die Wegmarkierungen dafür umso mehr. Es führen zwar sprichwörtlich viele Wege nach Rom, trotzdem sollte man natürlich immer (!!!) auf den dafür vorgesehenen Wegen bleiben. Als wir am Hocheck ankommen stehen 2 Stunden und 15 Minuten auf der Uhr. Aktuell haben wir 9,3 Kilometer und knapp 2000 Höhenmeter in den Beinen. Wir halten einen Moment inne und genießen die Aussicht, die an diesem Tag wirklich atemberaubend ist.
Die Überschreitung: Hocheck – Mittelspitze – Südspitze
Jetzt gehts ans Eingemachte. Wir setzen an zur Überschreitung. Ab hier ist absolute Trittsicherheit und Schwindelfreiheit obligatorisch! Das Gerücht, die Überschreitung des Watzmanns sei ein Klettersteig sollte mittlerweile zwar hinreichnend geklärt sein, trotzdem sei hier nochmal darauf hingewiesen.
Die Watzmannüberschreitung ist KEIN durchgängig gesicherter Klettersteig.
Trotzdem fühlen sich viele Bergbegeisterte sicherer, wenn sie mit einem Set unterwegs sind. Das führt gleich beim Einstieg zu einem etwas bizarren Bild. Lukas und ich warten am oberen Ende der Drahtseilversicherung auf unseren Einsatz. So stehen wir da. Füße – Trailrunningschuhe. Beine – kurze Laufhose. Oberkörper – Windbreaker und Laufrucksack. Kopf – Cap. Währenddessen ist die Dreierseilschaft damit beschäftigt den Einstieg und das Equipment zu meistern. Füße – Bergstiefel. Beine – lange Kletterhose. Oberkörper – Jacke und ein Pferdeanhänger großer Rucksack. Kopf – Helm. Auch mir ist klar, dass hier wohl zwei extreme aufeinander treffen. Entscheidend bei der Watzmannüberschreitung ist aber sowieso weniger das Equipment, als vielmehr ein stabiles Mindset sowie physische und psychische Kondition.
Denn auf dem Weg zur Mittel- und Südspitze besteht eigentlich dauerhafte Absturzgefahr. Jeder Schritt will mit Bedacht und Weitsicht gesetzt werden, was uns aber nicht am zügigen Vorankommen hindert. Eine Viertelstunde später erreichen wir die Mittelspitze. Von hier aus haben wir auch einen guten Ausblick auf die uns noch bevorstehende Wanderung zur Watzmann-Südspitze.
Wir verweilen nur kurz an der Mittelspitze. Eine größere Pause wollen wir erst auf der Südspitze machen. Auch wenn die Gradtwanderung anspruchsvoll und fordernd ist, so bleibt doch noch genügend Freiraum im Kopf um zu genießen. Sich in 2500 Metern höhe frei bewegen zu können, dabei ständig einen nicht weniger beeindruckenden Berg – den Hochkalter – im Blick zu haben und das alles bei bestem Wetter und bester Gesundheit. Manchmal braucht es nicht viel, um glücklich zu sein.
Bis auf 2500 Höhenmeter gehts nochmal runter, bevor der finale Anstieg auf die 2712 Meter hohe Südspitze ansteht. Die Oberschenkel melden schon seit geraumer Zeit diverse Mangelerscheinungen, vor Allem nach den längeren und steilen Kletterpassagen. Abwechslungsreich ist die Überschreitung nicht nur deshalb, weil es am Grat oft rauf und wieder hinunter geht. Zumeist bewegen wir uns nicht direkt auf dem Grat, sondern etwas unterhalb – und das gefühlt mehr auf der West-, als auf der Ostseite.
Nach 3 Stunden und 15 Minuten erreichen wir die Watzmann-Südspitze! Die Gratwanderung haben wir erfolgreich gemeistert und wir belohnen uns mit ein paar Kalorien. Das Panorma ist wie bereits erwähnt phänomenal. Eingebettet in die umgebenden Berge wie Hoher Göll, das Steinerne Meer und den Hochkalter thronen wir auf dem unangefochtenen König der Berchtesgadener Alpen. Watzmann – du geiles Teil!
Doch wer in dem Glauben ist, ab hier wäre es ein Spaziergang zurück zum Auto, der irrt gewaltig. Tatsächlich passiert ein Großteil der Unfälle beim sehr langen Abstieg. Die Konzentration lässt nach und wer auf den oberen 1200 Höhenmetern ins rollen kommt, der bleibt zumeist nicht sofort liegen. Wir machen uns darauf gefasst und steigen über das Schönfeld ab. Im oberen Drittel ist es nochmal zum klettern, anschließend passieren wir eine Schuttrinne und haben dabei mächtig viel Spaß. Im letzten Drittel wird das Terrain zunehmen laufbar.
Wimbachgries
Im Wimbachgries angekommen laufen wir nun leicht abschüssig auf einem der, meiner Meinung nach, schönsten Trails im ganzen Landkreis! Der Singletrail ist sehr schmal, wuchernde Flora und Fauna wohin das Auge blickt und absolute Stille runden dieses Erlebnis ab. Ich kann nur jedem empfehlen sich bis ins hinterste Ecke des Wimbachgries vorzuwagen. Eine lohnende Tour ist hier der Hirschwieskopf!
Nach 16 Kilometern erreichen wir die Wimbachgrieshütte. Die Beine waren schonmal fitter, trotzdem heißt es jetzt – draufbeißen! Uns stehen noch ganze 8 Kilometer bis zum Parkplatz bevor. Wir lassen uns nicht unterkriegen: Von km 18 bis 23 steht eine 4 vor der Pace, bei km 22 sind es sogar 4:03 min/km. Nach 5:08:54 (Bewegungszeit) kommen wir am Wirtshaus Hocheck direkt am Parkplatz an der Wimbachbrücke an. Wir haben fertig!